Ein immergrünes Gewächshaus in der eiskalten Antarktis – das hat ein Team des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in einem Container eingerichtet. Eine Art Testlauf für die Kultivierung von Nutzpflanzen in unwirtlichen Gegenden wie Wüsten oder künftig auf Mond und Mars. Nun ist das europäische Projekt nach einem Jahr offiziell abgeschlossen. Ein Gespräch mit Daniel Schubert, Leiter des Projekts „EDEN ISS“, über leckeren Salat aus sterilem Raum und Vorteile von Vertical Farming für Verbraucher.
Ihr Container-Gewächshaus hat weltweit für Aufsehen gesorgt. Zu welchen Ergebnissen sind Sie gekommen und vor allem – welche Ernte haben Sie eingefahren in Ihrem Garten Eden?
Das Projekt war sehr erfolgreich. Gezüchtet und geerntet haben wir klassische frische Gemüsesorten. Dabei waren Paprika, Radieschen, Mangold, zehn verschiedene Salate, Gurken, mehre Sorten Tomaten und viele Gewürze.
Und die haben auch geschmeckt?
Ja, ausgezeichnet. Für unsere Stationsküche bekamen wir Gemüse aus Kapstadt geflogen, das in Transportkisten mehrere Tage unterwegs war. Das schmeckte nicht annähernd so gut wie unser selbst gezüchteter Salat, den Sie eine halbe Stunde vorher geerntet haben. Unser Koch wollte deshalb lieber das Gemüse aus dem Container. Je nach Lichtverhältnissen konnten wir zudem den Geschmack verändern. Nach mikrobiologischen Untersuchungen sind unsere Pflanzen 1000-fach reiner als die aus dem Supermarkt.
Wie ist es Ihnen denn gelungen, als Gemüsebauer gerade in der Antarktis erfolgreich zu sein?
Die Idee war, dass wir alle natürlichen Wachstumsfaktoren künstlich ersetzen. Dafür stellen wir vorher entsprechend die Wachstumsparameter ein und kontrollieren sie regelmäßig. Die Wurzeln hängen in der Luft und wir sprühen sie mit einem Film aus einem Nährstoffcocktail ein, den ein Computer genau einstellt. Die Pflanzen hängen für mehr Dichte platzsparend auf verschiedenen Ebenen. Wir durften keine Erde benutzen, weil man die nicht in die Antarktis einführen darf. Es gab künstliches Licht von LED-Lampen. Außerdem haben wir die gesamte Atmosphäre rund um die Pflanzen in Sachen Luftfeuchtigkeit, Temperatur und CO2-Gehalt eingestellt. Im Fachjargon spricht man hier von CEA-Technologie, also Controlled-environment agriculture. Damit können Sie zum Beispiel die genaue Mischung an Nährstoffen oder Licht festlegen und dann entsprechend kleine oder große Früchte züchten, aber auch ihre Inhaltsstoffe beeinflussen.
Wir brauchten deutlich weniger Quadratmeter und Energie, als wir vorher dachten. An ähnlichen Projekten forschen wir zurzeit in der Wüste oder für Flüchtlingslager. Unsere Ergebnisse haben wir außerdem in ein Weltraumdesign für eine künftige Mond- oder Marsbasis einfließen lassen. Eines der Ziele ist es, Nahrung auf fremden Planeten zu produzieren, wofür wir weitere Daten sammeln. Astronauten können zwar Weizen, Mais oder Reis gefriergetrocknet auf ihre Weltraumreise mitnehmen. Aber frisches, vitaminreiches Gemüse würde sie dann auf dem Planeten bereits erwarten. Weitere Forschungprojekte sind daher ein Roboterarm sowie künstliche Intelligenz für die Fernsteuerung. Bei unserem Projekt kümmerte sich ein Kollege um die Pflanzen vor Ort. Und in Bremen haben wir noch eine Mission Control, wo alle Daten zusammenlaufen, zum Beispiel die Bilder aus den 24 Kameras in allen Winkeln des Containers. Die Station läuft jetzt ferngesteuert erst mal weiter und produziert fleißig Gemüse.
Die Frage liegt nahe – lässt sich so ein Gewächshaus auch für den heimischen Herd umsetzen?
Es gibt ja schon kleinere Geräte, die Sie in der Küche verwenden können, um ein wenig Gemüse zu züchten. Aber für die Selbstversorgung dürfte das nicht ausreichen. Unsere Technologie können Produzenten und Verbraucher schätzungsweise erst in 20, 30 Jahren für den Alltag auf der Erde verwenden.
Und wenn Sie ein Blick in die Zukunft des Indoor-Farmings werfen?
Es liegt der Brückenschlag zum Vertical Farming nahe, wenn man den Prozess für Megacities hochrechnet. Die leiden heute unter einem großen ökologischen Fußabdruck. Städte wie Dubai verbrauchen enorme Ressourcen, wenn sie sich ihren Blattsalat aus Europa liefern lassen. Selbst Ressourcen aus dem direkten Umland sind Verschwendung, wenn man stattdessen das Gemüse wie in unserem Container direkt vor Ort produzieren kann. Eine Stunde nach der Ernte ist der Salat dann in der Supermarkttüte. Mit Vertical Farming produzieren Sie mehr, schneller und kontrollierter. Sie verkürzen Transportwege, auf denen Nahrung zurzeit noch zu 30 Prozent verdirbt. Selbst bei Dürre können Sie in der Wüste Erdbeeren züchten und verbrauchen so gut wie kein Wasser, weil sie das fast zu hundert Prozent zurückgewinnen. In einem geschlossenen System müssen Sie keine Erreger fürchten, benötigen keine Pestizide und sind umweltschonender. Es gibt allerdings noch einen klaren Nachteil und das ist die Energie, die den Preis drückt. Auch bei unserem Projekt lag der Verbrauch an Energie noch zu hoch, damit sich die Anlage rechnet. Es macht keinen Sinn Erdöl zu verbrennen, um Strom für das künstliche Licht der Pflanzen zu produzieren. Da sind wir mit regenerativen Energien langfristig effizienter.
Sie kennen sicher den Film „Der Marsianer“ mit Matt Damon, der als zurückgelassener Astronaut seine lebensrettende Nahrung selbst kultiviert. Ist der Streifen realistisch?
Doch, der ist schon sehr realistisch, gerade im Hinblick darauf, was Pflanzen dort brauchen. Allerdings sahen die Kartoffeln abgekocht aus. Die funktionieren so nicht mehr als Knollen.