Umweltschutz Hannes Jaenicke ist Schauspieler, Bestsellerautor und Umweltschützer in einer Person. Und wenn ihn etwas auf die Palme bringt, dann Plastikmüll. Wir sprachen mit ihm über die Verschwendung von Ressourcen, Energieparks in Kalifornien und die Vorteile von uralten Stoffbeuteln.
Du setzt Dich intensiv gegen die Vermüllung durch Plastik ein, bezeichnest es als die „Pest des Jahrhunderts“ – was ist aus Deiner Sicht das Problem?
Ich glaube, es ist der Dreiklang aus Politik, Industrie und Endverbrauchern. Wobei die Verbraucher noch am fleißigsten sind, Plastik zu vermeiden. Wir erleben ein Totalversagen der Politik und ein komplettes Desinteresse und Renditedenken der Verpackungs- und Konsumgüterindustrie. Länder wie Ruanda, über die wir als Dritte Welt lächeln, haben seit 2009 ein Plastiktütenverbot. Die Deutschen bepinseln sich gern als umweltvorbildlich. Ich halte das für Quatsch. Wir sind ins hinterste Mittelfeld gerutscht.
Was schlägst Du vor?
Man müsste mal schnell die Einwegplastiktüte verbieten. Man könnte Plastik besteuern oder eine Pfändung einführen, die tatsächlich in eine zirkuläre Plastikwirtschaft führt. Genau das passiert nicht.
Wegen der Komplexität steht man oft vor einem Dilemma: Die Papiertüte ist biologisch leichter abbaubar – kostet aber in der Produktion mehr Ressourcen wie Wasser.
Wofür brauchst Du ‘ne Papiertüte?! Was ist falsch an einem Stoffbeutel? Supermärkte verkaufen seit vielen Jahren Mehrwegtaschen. Die kosten einen Euro, halten 15 Jahre und darin kannst Du Backsteine nach Hause tragen. Ich brauche weder Plastiktüten noch Papiertüten.
Wie kaufst Du ein – mit einem Rucksack?
Ich habe nicht nur einen Rucksack. Der ist sogar mit Photovoltaik bestückt, so dass ich mein Handy aufladen kann. In meinem Auto liegen in der Regel zehn Stoffbeutel herum und in den Motorradsatteltaschen mindestens zwei. Ich habe noch eine von meinem alten Steuerberater. In der hat er mir mal meine Akten zurückgegeben. Die ist 15 Jahre alt. Mit der kaufe ich bis heute ein. Ist ja keine Gehirnchirurgie. Ein Stoffbeutel ist ein praktikables Gerät.
Welche Tipps hast Du noch für Verbraucher?
Es hängt stark davon ab, wie man seinen Geldbeutel benutzt. Kaufst Du Waschmittel von Unternehmen, die die Umwelt schädigen, machst Du etwas falsch. Wasser in PET-Flaschen sollte man gar nicht kaufen. Sauberes Wasser bekommt man aus der Leitung. Wer will, kann sich das mit einem Sprudler aufsprudeln. Ich habe in meinem Rucksack grundsätzlich eine Tasse dabei. Noch eine in meinem Auto zusammen mit einer Metallflasche. Es braucht nur ein bisschen Logistik – und schon lebt man plastikfrei. In dem bayerischen Dorf, in dem ich lebe, kaufe ich in einem Bioladen ein. Dort ist nichts verpackt. Ich kann diesen Quatsch vermeiden. Es gibt längst Läden, die das anbieten. Stattdessen erhält die Verpackungsindustrie einen irren Zuwachs.
Du lebst außerdem in Kalifornien. Wie empfindest Du den Umgang mit Ressourcen in anderen Ländern?
Die Umweltpolitik ist in den USA zum Beispiel von Bundesstaat zu Bundesstaat radikal verschieden. Die gesamte Westküste ist extrem weit, in anderen Staaten passiert nichts. In Vermont, dem Staat, in dem Bernie Sanders regiert, sind jetzt Strohhalme und Plastiktüten verboten. Es fahren unfassbar viele Elektro- und Hybridautos herum. Kalifornien hat in den vergangenen Jahren den größten Wind- und Solarpark gebaut, den ich je gesehen habe.
Eure preisgekrönten Dokumentationen „Im Einsatz für…“ klären erst mal nur umfassend auf – erlebst Du eine Verhaltensänderung bei den Zuschauern?
Das Musterbeispiel war unsere Dokumentation „Im Einsatz für Haie“. Eine Forscherin und Meeresschutzaktivistin benutzte unser Footage bei ihrem jahrelangen Kampf, um dann extrem erfolgreich im Pazifikraum das Antifining-Gesetz durchzupeitschen. Mittlerweile gibt es 27 Länder im Pazifik, wo schon der Besitz einer Haifischflotte verboten ist. Ein Manager von Rewe schaute die Doku spät abends in der Wiederholung und sprach mich auf dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis an: „Herr Jaenicke, wir koordinieren ab sofort unseren Fischeinkauf mit MSC-Siegel und WWF.“ Man erreicht erstaunlicherweise etwas.
Unsere Dokus sind sehr aufwändig und nicht immer gut für’s Privatleben. Wir reisen dafür wie verrückt durch die Weltgeschichte. Ich würde das nicht machen, wenn es keinen Sinn ergäbe. Die Antiplastikkampagne betreibe ich jetzt seit sieben, acht Jahren. Und jetzt bemerkt man langsam, dass dieses Thema diskutiert wird. Man muss eine irre Geduld haben. Aber unsere Doku über Eisbären hat offensichtlich nichts bewirkt. Schau Dir den Einsatz von SUV auf deutschen Straßen an. Das ist den Leuten so etwas von egal. Da staune ich Bauklötze.
Bist Du nie frustriert?
Jeden Tag. Ich habe gestern mit Marcella Hansch von Pacific Garbage Screening telefoniert. Die hat jeden Tag die Krise. Das geht uns allen so, glaube ich. Eben hat man noch einen Wald aufgeforstet und woanders wird der wieder weggehobelt. Aber aufgeben gilt nicht. Sich zurücklehnen und sagen, man kann `eh nichts machen, ist zu bequem.
Das Weghobeln geht auch schneller als das Aufforsten.
Sehr wahr. (lacht) Das gilt für den gesamten Umweltschutz.
Gab es in Deinem Leben mal den Aha-Moment, seit dem Du Dich für den Umweltschutz engagieren wolltest?
Ich bin ein Kind der 70er Jahre. Mit 15 Jahren bin ich Mitglied bei Greenpeace geworden. Jahrelang habe ich mich erst privat engagiert. Seit ich diese Doku mache, ist das Ganze ein bisschen durch die Decke gegangen. Aber ich bin erstaunt, was man mit dem alten Medium Fernsehen veranstalten kann. Ist immer noch eine tolle Plattform.
Dein Engagement reicht von Berggorillas über Plastikmüll bis hin zu Menschenrechten in Tibet. Gibt es einen gemeinsamen Nenner?
Ich wundere mich über die Nestbeschmutzung, die der Mensch mit seinem Nest Mutter Erde betreibt. Würden wir als Individuen unsere Mütter behandeln wie die Mutter Erde, säßen wir vermutlich alle im Knast. Seit dem Report des Club of Rome wissen wir, was eigentlich zu tun wäre. Und wir machen konsequent das Gegenteil. Das erstaunt mich doch ein bisschen.
Umweltsünder bist Du selbst, weil Du viel fliegst?
Beruflich bin ich ständig im Flieger. Meine Kritiker sollen mir mal verraten, wie ich meine Doku in der Arktis drehen soll, ohne mit dem Flugzeug hinzukommen? Unsere vierköpfige Dokutour auf Kontinenten wie Asien oder Afrika kann man nicht mit dem Fahrrad oder den öffentlichen Verkehrsmitteln machen. Ich habe mich deshalb gefragt: Bleibe ich zu Hause oder mache ich die Doku. Da habe ich mich für die Doku entschieden. Ich unterstütze diverse Organisationen zur Aufforstung in Tunesien und Malaysia. Ich versuche, den CO2-Ausstoß zu kompensieren, soweit ich kann. Aber Fliegen lässt sich in meinem Beruf nicht vermeiden.
Du schreibst zu diesen Themen inzwischen auch Bestseller. Aber nicht auf Papier, oder?
Auf meinem Laptop. Ich habe einen uralten Mac. Mich wundert, dass der noch läuft. Dann geht alles an meine wunderbare Lektorin und die darf sich damit herumplagen. Es ist eine traurige Regel des Deutschen Buchhandels, dass ein Buch in Zellophan eingeschweißt ist. Die nehmen halt die Bücher nur ab, wenn die eingeschweißt sind.
Entstehen die Bücher am Schreibtisch mit Blick auf den Ammersee oder zwischendurch auf dem Flughafen in L.A.?
Ich habe meinen Erstwohnsitz in den USA. Da lebe ich abgeschieden in einem Hippie-Park in Kalifornien. Einer meiner Nachbarn ist der ehemalige Trompeter von Janis Joplin, mitterweile 80 Jahre alt. Mein direkter Nachbar war Pianist von Stan Getz. Dort ziehe ich mich zurück und haue das in zwei, drei Monaten raus.
Beinflußt der Schauspieler Jaenicke den Umweltaktivisten Jaenicke, oder andersherum?
Ich trenne das komplett. Ich bin Schauspieler und das ist mein Broterwerb. Ich liebe meinen Beruf nach wie vor und er macht mir großen Spaß. Von Umweltschutz kann man nicht leben. Jedenfalls nicht nach meiner Erfahrung. Das eine ist bezahltes Gewerbe. Das andere würde ich Freizeitgestaltung nennen, weil meine Kollegen und ich das für sinnvoll halten.
Der Gründer von Sea Sheperd, Paul Watson, fragt Crew-Bewerber: „Riskierst Du Dein Leben für einen Wal?“ Ihr seid für Dokus in Ländern unterwegs, in denen Bürgerkrieg herrscht. Bring Ihr Euer Leben in Gefahr?
Mein Kameramann tut das regelmäßig. Er wollte der erste Kameramann sein, der Orang-Utans auf Augenhöhe filmt. Was faktisch hieß, dass er in München einen Baumkletterkurs belegt hat. Dann ist er mit 20 Kilo Kameraequipment auf der Schulter auf diese Baumriesen in Kalimantan geklettert. Dabei wiegt der Mann 100 Kilo. Als sich die Wipfel so neigten, stand ich da unten und sagte: Ok, das war’s. Der Mann hat Familie. Der ist so etwas von angstfrei, das macht mir manchmal Angst. Er ist auch fast von einem costarikanischen Fischermob vermöbelt worden. Er hat erstaunlichen Mut. Aber wenn man über den nicht verfügt, kann man solche Filme nicht machen. Bei unseren Dreharbeiten gibt es kein 60-Mann-Team und einen Cateringservice. Die sind nicht bequem.