Mode mal Medizin macht Bestseller

joop

Wie macht man ein biederes, tabubehaftetes Medizinprodukt wie den Kompressionsstrumpf sexy und salonfähig? Ein international erfolgreicher Designer wie Wolfgang Joop und medi, ein Ausstatter für Gesundheitsbekleidung, kombinieren erfolgreich feine Couture mit funktionaler Kompressionstechnologie.

Der Brief kam vergangenes Jahr tatsächlich zum passenden Augenblick. In einem Moment, in dem Designer Wolfgang Joop nicht nur wie immer arbeitsreich und mit vielen Auslandsflügen agierte, sondern ihn auch ein Venenleiden nervte. Die Angebote auf dem Markt der Kompressionsstrümpfe waren nicht gerade geeignet, den Modeschöpfer zu beglücken.

Da hielt er plötzlich dieses Anschreiben der Firma medi in den Händen. Der bayerische Marktführer bei Kompressionsstrümpfen und spezialisiert auf Gesundheitskleidung suchte einen internationalen Modeschöpfer, der das Unternehmen in Sachen Design beriet.

Man kann es glückliche Fügung nennen. Oder da passte wie die Faust aufs Auge ein erfahrener Kreativer, der die Wünsche der Verbraucher en Detail kennt, zu einer etablierten Firma, die dringend Inspiration sucht. „Wir wollen das Thema Kompression und besonders Kompressionsstrumpf verstärkt in die Öffentlichkeit bringen“, sagt Rüdiger Hacke, Leiter Marketing Medical Deutschland bei medi. „Und wir möchten vermitteln, dass dieses Thema nichts Schlimmes ist und die Strümpfe nicht hässlich sein müssen. Dafür sollte die Sensibilität geschärft werden.“ Mit dieser Mission rannte man bei Wolfgang Joop offene Türen ein. Er nahm die Einladung des Unternehmens nach Bayreuth an und war vor Ort komplett von den Socken.

Vielleicht, weil er sich hier auch ein wenig heimisch in seiner Modewelt fühlte. Denn in den Produktionsstätten von medi wird wie in der Haute Couture noch viel mit Handarbeit gefertigt, fern jeder Maschinerie. Beeindruckt war er vor allem von Material und medizinischer Technik.

„Diese Strümpfe sind absoluter Hightech“, so Joop. „Darin schwitzt man nicht einmal.“ Er ist überzeugt: „Das ist ein revolutionäres Fashion-Thema.“ Und das präsentiert man bekanntlich am besten in Paris. Denn wie medi möchte auch Joop das Thema Kompressionsstrümpfe „aus der Tabuzone“ holen. Kompressionsstrümpfe unter Kleidern zeigte er daher zum ersten Mal bei seinen Prêt-à-porter-Schauen im Oktober 2009. Das Motto: „Hurt and Heal“. Auf dem Laufsteg zu bestaunen waren ebenfalls Osteoporose-Korsetts und medizinische Schuhe.

Für Joop wird Mode so etwas humaner. Ihn ärgert, dass viele Frauen so tun würden, als ob es ihnen nichts ausmachte, auf hohen Schuhen zu laufen. Es dürfe schließlich nicht sein, dass „40 Prozent der Leute später Venenprobleme hätten“. In der Modebranche, in der oft nur das „Verhüllen“ oder die „Computerbearbeitung“ dominiere, müsse „man doch auch einmal das Leiden zugeben“.

Auch die Kooperation mit medi verläuft schnell fruchtbar. Denn Wolfgang Joop und medi machen sich gemeinsam auf die Socken: Es gilt an großen Tischen in Joops Potsdamer Atelier die Themen zu besprechen, Ideen auszutauschen und flugs in der Manufaktur von medi zu produzieren.

„Die Zusammenarbeit mit Wolfgang Joop ist herrlich unkompliziert“, sagt Hacke. „Wir können sehr viel von ihm lernen. Besonders, was den Endverbraucher betrifft. Als Hersteller haben wir eher den Arzt und medizinischen Fachhandel im Blick. Unser Unternehmen bewegt sich deshalb manchmal gern vorsichtig am Rand der Branche. So entsteht Neues und man verschiebt und lotet Grenzen aus.“

Seit Ende Oktober 2009 ist dann mJ-1, die gemeinsame Marke von medi und Joop, auf dem Markt. Es sind kompressive Strümpfe, die die Techologie der Kompression nutzen. Man erhält sie freiverkäuflich im Modefachhandel. Den mJ-1 gibt es in einer Unisex-Variante für Frauen und Männer.

Er hat einen definierten Druckverlauf wie medizinische Kompressionsstrümpfe – nur in einer viel niedrigeren Dosis: So sind Gefühl und Look gleichzeitig perfekt. Für die Stay-ups und Knee highs gibt es Farben wie Ocean, Caramel, Cacao, Purple, Forest oder Cloud. Bei den Männern von klassischem Schwarz über Anthrazit bis hin zu Cacao. Die Materialoptiken sind fein gerippt, weit gerippt sowie opaque.

Der nächste Gang in den Markt kommt nun prompt mit einem weiteren Produkt. Ab Mitte Februar 2010 bringt medi zusammen mit Joop eine limitierte Edition von 20.000 des so genannten mediven elegance auf den Markt. Es ist ein medizinischer Kompressionsstrumpf, speziell für Venenleiden, mit einer innovativen Textur: Sie ist der menschlichen DNA nachempfunden.

Das eingearbeitete Matrix-Muster soll nicht nur optisch schöne Beine erzielen, sondern sorgt dank Mikromassage für ein vitalisierendes Gefühl. Feine Couture trifft hier auf funktionale Kompressionstechnologie.

Erhältlich ist der mediven elegance mit dem DNA-Touch als Oberschenkelstrumpf in der Farbe Schwarz und den Größen 1 bis 4 der Kompressionsklasse 2. Dennoch ist er leicht anzuziehen, weil die Passform anatomisch ist. Für Wolfgang Joop sind Kompressionsstrümpfe „Prophylaxe und Support“.

Für den Arzt ist der mediven elegance, der im so genannten Rundstrick hergestellt wird, etwas zum Verschreiben. Im Sanitätshaus werden die Längen- und Umfangmaße des späteren Trägers dann an mehreren Stellen gemessen, sodass die Kompressionsversorgung exakt auf dessen Anatomie abgestimmt ist.

Rundgestrickte Strümpfe sind nahtlos, die anatomische Form erfolgt durch die Maschengröße und die so genannte Vorspannung des Kompressionsfadens. Der medizinische Trick: Durch den gezielten Druckverlauf, der von der Fessel in Richtung Herzen abnimmt, verringert sich der Durchmesser der Beinvenen. Die Venenklappen schließen wieder, das Blut fließt besser zum Herzen. Die Kompression ist durch vier Klassen genau definiert.

Vor zwei Jahren hätte ihn die Branche „noch für verrückt erklärt“, glaubt Hacke, wenn er ihr von einer solch exklusiven Kooperation berichtet hätte. Jetzt bejubelt sie ihn. Er erhält regelmäßig Glückwunschfaxe. Der Handel schwärmt, dass der Kompressionsstrumpf nun endlich effizient beworben und vor allem häufiger verkauft werden könne.

Und die Verbraucher sind nicht nur von der Qualität der Produkte, sondern sogar von den Werbemitteln begeistert. Denn auch Verpackung und Tüten sind highfashion. Die Spürnase von Joop, der Trends setzt, hat wieder gewirkt. „Und der Markt hat uns Recht gegeben“, sagt Hacke. Da die erfolgreiche Zusammenarbeit bald in die nächste Runde geht, sitzen medi und Joop gerade an weiteren Ideen für Folgeprodukte.

Wolfgang Joop trägt aus Überzeugung übrigens nicht nur regelmäßig seine Kompressionsstrümpfe, die den Kosmopoliten überall auf der Welt so manches mal über den schaffensreichen Tag retten. Er schätzt auch Gesundheitsschuhe. Für den Workaholic sind sie eine Wohltat bei Rückenbeschwerden. „Die machen süchtig“, sagt er. „Danach ist es ganz schwer, wieder normale Schuhe zu tragen.“

Ein nächster Brief wäre allerdings zwecklos. Mit dem Hersteller MBT kooperiert Joop bereits.